Sonntag, 27. Februar 2011

Gut eingekauft

Heute kam ein Päckchen. Darauf hatte ich schon lange gewartet. Ich habe nämlich im Internet bestellt. In Übersee, in USA. Dort bekommt man feine Sachen.

Ich hatte ja noch Geld von Weihnachten. Ihr erinnert euch? Unsere Austauschschüler? Die weiße Knalltüte aus Australien, dieser dusselige Kakadu, und die beiden Schaufelhufen, Rudolf und Snörre aus Norwegen? Die hatten ihr Taschengeld bei uns liegen lassen. Unsere Mama hatte ihnen Geld hingelegt wegen Amüsement über Weihnachten, aber das haben sie nicht eingelöst, und als sie abgereist sind, haben sie’s auch noch vergessen mitzunehmen.

Da habe ich gedacht, ich nehm‘s an mich, da ist es in guten Krallen. Ich muss nur darauf achten, dass ich keinen Unsinn dafür kaufe, also kein neues Ballerspiel oder Lakritzschnecken, sondern was Nützliches voller Sinn und Beifall. Das habe ich getan. Seht meine Schätze:

Dies ist ein Wandteppich. Die Mama oder die Mia muss nur noch Schlaufen oben dran nähen, damit ich eine Gardinenstange durchstecken kann. Das Ganze kommt dann über den Esstisch. In der Mitte die Schrift ist keltisch. Der Spruch ist handgearbeitet. Der stand so im Katalog. Nicht dass jetzt einer denkt, ich hätte ihn mir ausgedacht. Nee, das war alles haargenau fix und fertig so, ich brauchte nur noch anzuklicken und die Farbe fürs Garn auszusuchen. Hübsch, nicht? Der Spruch gibt den andern in der Familie Orientierung. Sie wissen dann besser, wo’s lang geht.


Die zweite Anschaffung ist dieses Ringbuch hier. Man kann es prima gebrauchen für Erinnerungsstütze, damit man weiß, was man zu tun hat nach dem Augenöffnen. Die wichtigsten Dinge habe ich schon mal notiert. Hinten ist eine Strichliste. Im Moment stehen da aber erst "TV", „Hackbällchen“ und „Mücken-Ravioli“. Das muss noch ausgebaut werden.



Vom dritten Posten habe ich leider keine Fotos. Unsere Diggi-Knipse nimmt sich nämlich gerade ihr Blackout, daher kann ich euch nur den Kassenbon zeigen Es sind mehrere kleine Dinge, die es in dieser Qualität nur im Ausland gibt. Dort ist man viel weiter mit Anregung, Sortiment und Haustierbetüddelung als bei uns. Aber wenigstens kann man an der Quittung sehen, dass ich keinen Quatsch rede, sondern wirklich voller Disziplin das Geld nur dem Online-Mann ins Fenster geschmissen habe. Die Preise sind auch voll in Ordnung.


Dafür ist das letzte Foto umso toller geworden. Die Mia hatte es sich sooooo gewünscht: ein Stoppschild für unsere Zimmertür, damit nachts, wenn wir schlafen, der Roosevelt und der Otis nicht immer in unseren Sachen wühlen. Einmal haben sie in Mias Silber-Bikini geschnaubt, und manchmal finde ich ein Matschboxauto eingebuddelt im Blumentopf. Wenn ich die beiden Kerle dann schüttele wegen rascherer Auskunft, verdrehen sie nur die Augen und fiepen, es wäre von allein dorthin gekommen und eingesunken im Morast wegen abgenutzter Sommerreifen. Ich hoffe, das hat nun ein Ende. Das Warnschild habe ich extra drucken lassen. Okay, ich gebe zu, es ist nicht so ganz ohne Eigennutz, aber ich finde, unter all dem andern praktischen Zeug, von dem ich persönlich nichts, aber auch gar nichts habe, kann auch ein bisschen was für die Mia und mich abfallen, nicht wahr? Ich geh das Schild gleich mal an die Tür nageln.

© Max: Papageiengeschichten

Montag, 21. Februar 2011

Schöne Berufe für geschickte Hennen

Heute möchte ich euch ins Gewissen reden. Wie viele von uns leben bei ihren Haltern wie die Hefe im Kuchenteig? Sie tun nix, außer sich drücken zu lassen, gehen dafür aber in die Breite und machen Dreck und Anspruch. Okay, die meisten von uns haben Pflegeaufgaben zu erledigen. Wir müssen auf unsere Menschen aufpassen, sie bespaßen und ihnen Sinn spenden, damit sie Orientierung behalten in ihrem Leben. Das ist oft voller Anstrengung, und manch einer ist abends fix und alle vor lauter Geflöte und Geschmuse und Animationsprogramm.

Trotzdem: Es ist nicht richtig, dass wir uns gehen lassen. Jeder Junghahn und jede Junghenne muss sich beizeiten um eine gute Berufsausbildung kümmern. Dabei ist es egal, ob man sich für Quantenphysik interessiert oder lieber ein Kartenlege- und Pendelstudio betreiben will, Hauptsache, man bringt Kohle in die Haushaltskasse. Leider aber ist das bei vielen noch nicht hinter die Hirnschale gesickert. Besonders ältere Semester – und da wieder die Büstenhalter-Fraktion – glauben, es täte längst zu spät sein. Sie hocken also weiter im Schlafanzug im Döswinkel, futtern Marzipanpralinen und gucken gemütlich von oben zu, wie ihr Mensch unter der Stange herumkriecht und ihre Kleckse wegputzt. Dabei gibt es so tolle Ausbildungsprogramme, gerade auch für Senioren und ältliche Puten kurz vorm Eintrocknen in den Wechseljahren. Man muss sich nur aufraffen. Im Internet steht alles, was man wissen muss.

Zum Glück kenne ich eine Henne, bei der das nicht so ist. Die Marco ist ja schon was älter. Lange, lange Zeit hat sie auch gelebt wie der Hefewürfel im Goldkittel, und sicher hat es ihr sehr gut gefallen (die Tante Renate ist ja auch ‘ne Nette), aber dann plötzlich – gerade noch rechtzeitig – hat sie die Umkehr gepackt, erst im Kopf, dann auch in den Krallen, und heute ist sie mitten in der Ausbildung. Und das in ihrem reifen Putenalter. Denkt mal an!

Doch wer nun glaubt, er täte nicht wegkönnen von zu Hause, und daher wäre er entschuldigt, der macht fatalen Irrtum. Viele dieser Programme gehen nämlich über Fernstudium. Da kann man sich die Anleitung für die Radio-Löterei zuschicken lassen. Oft sind gleich Übungsmaterialien dabei, so wie die Fläschchen fürs Giftmischen beim Berufswunsch „Heiratsschwindler deluxe“ oder Durchstreichtexte für künftige Angestellte in der Kurbewilligungsabteilung bei der Krankenkasse. Man kann also alles bequem von daheim erledigen; man braucht sich keinen Zentimeter vom Fressnapf wegzubewegen. Einen zweiten Vorteil gibt es obendrein: Man kann mehrere Sachen ausprobieren, ob sie einem liegen, bevor man sich endgültig für einen Beruf entscheidet.

Die Marco hat’s auch so gemacht. Sie hat sich im Katalog mehrere Berufe rausgesucht und alle erst mal angetestet. Schöne Sachen sind dabei. Fürs Handwerk hat sie sich entschieden; das liegt ihr mehr, als Weißkittel abhaken in der Uni-Sternwarte. Ich zeig euch mal ihre Favoriten:

Da haben wir zunächst die staatlich geprüfte Hartkäse-Testerin. Da muss man Proben aus den Käselaibern schneiden und die Rinde begutachten auf Qualität und Reifegrad. Das tut einen stabilen Schnabel erfordern. Außerdem darf man auf der Arbeit keinen Lippenstift tragen, und man darf nicht allergisch sein gegen Milch. Also jammern: „Ich futter aber nur laktosefreien Joghurt, sonst muss ich pupsen“, das geht nicht.

Das hier ist Materialprüferin „Pappe und Zwirn“. Es ist dem Käsetesten sehr ähnlich, nur dass hier die Objekte nicht gegessen werden dürfen, sondern in jedem Fall ausgespuckt werden müssen. Das erfordert große Disziplin, nicht nur wegen Schaden für den Arbeitgeber, sondern auch wegen dem eigenen Magen. Karton-Obstipation gildet noch nicht als Berufskrankheit. Also aufgepasst, immer schön zwischendurch mit Früchtetee spülen. Gefahrenzulage wird nicht gezahlt in der Branche.

Hui … die Marco mal ganz mutig. Hier probt sie das Höhlenkriechen. Das gehört zur Fremdenführerin "Stollen, Moor und Watt“. Das ist so was ähnliches, was Bergführer machen, nur ohne Gebirge, sondern mit flach, manchmal auch unter Tage. Voraussetzung sind Kondition (hat die Marco ja vom Walzertanzen) und wiederum ein harter Schnabel. Denn wie man sieht, muss man Wege finden in neuer Umgebung für die Gruppe, die hinter einem kriecht. Sie soll ja gut vorankommen. Wenn gerade keine Machete in die Röhre passt, muss der Leiter mit dem eigenen Schnabel den Weg freipicken. Ich weiß aber nicht, ob die Tante Renate davon weiß. Sie wird der Marco bestimmt nicht erlauben, später nach der Ausbildung in der Welt herumzureisen und teure Touristen durch die Diamantstollen von Namibia zu schrappen. Dafür ist die Tante Renate viel zu ängstlich, und der Marco wird ja auch immer übel von der Fleischbrühe in der Business-Klasse.

Da trifft dies hier wohl eher den Geschmack der beiden Damen. Der Beruf heißt „Product Manager Korkmehl“. Das, was man hier sieht, ist das Ergebnis. Es findet Weiterverwendung in der hiesigen Korkplattenindustrie und  beim Bestreuen von Blumenbeeten. Wichtig ist, dass man ganz exakt krümelt; alle Bröckchen müssen genau gleich groß sein. Das hat die Marco hier offensichtlich nicht ganz geschafft; da wird sie noch üben müssen. Aber vielleicht ist der Job sowieso zu langweilig: nur immer das Gleiche, jeden Tag? Lippenstift darf man auch dort nicht tragen, nicht mal Creme an den Krallen, sonst pappt alles fest. Bisher habe ich noch keine Pute kennen gelernt, der all dieser kosmetische Firlefanz komplett egal wäre. Also darf’s doch lieber was für den feineren Hennenfuß sein?

Hierzu braucht man Geschick und geografische Kenntnis. Als „Global Creative Assistent“ formt man den Schulatlas nach. Man kann sich spezialisieren auf Kontinente, Gebirge, Städte oder anderes. Die Marco hat hier mit Inseln geübt. Auch das Material, womit man das tut, ist unterschiedlich, je nach Kursschwerpunkt. Wie man sieht, handelt es sich hier wieder um Kork. Es gibt aber auch Sägemehl, Wolle, Hanf, Dekorsteinchen, Styroporkügelchen oder Haferflocken. Bei jedem Werkstoff, der leicht wegfliegen tut, muss man besondere Sorgfalt anwenden. Dauernd niesen, weil man Heuschnupfen hat, oder ständig rein- und rausrennen mit klappender Tür, das wäre total unprofessionell. Man muss sehr ruhig arbeiten mit viel Geduld und Konzentration. Auch sollte man keine Klebstoffallergie haben, weil man die Inseln und Gebirge auf dem Untergrund festpappen muss. Wenn’s fertig ist, können sich Volkshochschulen, Altersheime, Kantinen und andere Erwachsenen-Etablissements die Bilder an die Wand hängen. Man soll nicht unterschätzen, wie viel man lernt, bloß weil man davorsitzt und Erbsensuppe löffelt. Genau genommen gehört der Beruf also in die Sparte Erwachsenenbildung.

Zu guter Letzt hat sich die Marco noch als Seildreherin ausprobiert. Früher hat man dafür Pillendreher-Käfer aus Afrika genommen, weil die das am besten konnten  wegen Gewohnheit von Kindesbeinen an. Aber mancher Kunde findet es nicht so prall, wenn die Arbeiterinnen von der Abfallwirtschaft kommen, deshalb ist man heute offen für andere Tierarten. Das gibt vielen Hennen neue Chance. Amazonen, Aras, Kakadus und Graupis werden gern genommen wegen ihrer guten Koordination von Schnabel und Krallen. Manche Expertin schafft sogar noch nebenbei SMS zu schreiben oder sich die Wimpern zu tuschen. Man muss die Seilbälle ganz gleichmäßig rollen, immer in der richtigen Reihenfolge. Dann schaffen sie es auf die Spielzeugmessen. Besonders beliebt sind die Bälle als Mitbringsel für Schildkröten und  Goldfische.

Seht ihr? Man kann viel bewegen, wenn man nur will. Ich hoffe sehr, ihr lasst euch von meinen und Marcos Vorschlägen zur Anregung verleiten. Guckt im Internet unter „Ausbildung Heimvögel“ nach oder meinetwegen unter „Henne Wechseljahre Beruf Neuanfang“. Wichtig ist nur, dass ihr den Hintern hochkriegt. Fangt einfach an. Ihr könnt mich auch fragen, wenn ihr Unsicherheit fühlt. Dann gebe ich euch Beratung, welcher Beruf zu euch passt. Besonders gut kenne ich mich aus, wozu man Köpfchen, Weisheit und Reife braucht.

© Max: Papageiengeschichten
© Fotos: R. B.

Dienstag, 8. Februar 2011

Rätsel 17

Guckt mal, wir haben auch was in Blau:



 Es ist nicht weich und wir haben es käuflich erworben. 

Sonntag, 6. Februar 2011

Original und Fälschung

Ich habe einen guten Freund. Er ist von sympathischer Lustigkeit und auch sonst sehr in Ordnung, nur leider total fehlgeleitet. Er säuft. Er heißt Coco und ist der Volierengenosse von der Cora.

Ich mach jetzt keine Theorie, ob das Saufen mit der Umgebung zusammenhängt. Es heißt schließlich nicht umsonst: „Zeig mir, neben wen du den Hintern auf die Schlafstange krachst, und ich sag dir, wer du bist.“ Tatsache ist jedenfalls, dass der Coco schon gefährliche Zeiten hinter sich hat. Im Entziehungsheim tat er mit Erbsen auf andere Patienten schießen, und im Supermarkt am Kassenregal hat er Schnapsfläschchen geklaut. Schlimm, sag ich euch, schlimm. Draußen saß er dann auf dem Dach vom Einkaufswagendepot und machte Kundenverhöhnung:
„Omi, Gebiss ist heute aus.“
- Schluck aus der Pulle -
„Nicht erschrecken, Madame: Dir steht der Rock hinten hoch.“
- Schluck aus der Pulle -
„Kennst du das Gebirge „Mount Kác“? Das hast du an den Schuhen.“
- Schluck aus der Pulle -

Die Tante Gisela war schon ganz verzweifelt, und auch die Cora hat es nach draußen getrieben. Erst wegen dem ewigen Fuselmief hat sie Hobby angefangen, ihre Kochkurse und das Ehrenamt als Spendensammlerin. Immerhin ist was Gutes dabei herausgekommen. Die Cora kann jetzt Rouladen einwickeln und Eiweiß toupieren, so hoch bis die Quarkcreme über den Rand quillt. Dafür müsste man dem Coco eigentlich dankbar sein, würde sein Zustand nicht so große Besorgnis machen.

Es gibt immer mal bessere Phasen, wo der Coco kaum mehr sabbert und behauptet, er täte nur Gänsewein trinken. Im Moment ist so eine Phase. Es kommen wenig Klagen in meinen Telefonhörer. Duisburg atmet auf, die Tante Gisela fühlt wieder Lebensmut. Neulich erst war sie beim Frisör.

Wir hier hören so was gern; wir sind mitfühlende Leute. Noch glücklicher bin ich, wenn ich armseligen Kreaturen ganz konkret Hilfe geben kann. So hat es mich ganz besonders gefreut, als ich vor kurzem diese Mail hier kriegte. Sie war vom Coco:

Hallo Max,
 
wie geht es dir? Ich fühle mich sauwohl. Ich bin nämlich jetzt Schauspieler. Jawohl. Da staunst du, was? Ich habe mich der Laienspielgruppe „Letzter Vorhang“ angeschlossen. Es ist ein lustiger Haufen. Wir treffen uns zweimal in der Woche abends in der Schulaula, weil dort die Bühne ist. Hinterher gehen wir immer noch in die Kneipe einen Kamillentee trinken.
 
Im Moment sind drei Stücke in der Probe: ein Puppenspiel namens „Dantons Tod“, der bayrische Schwank „Wenn mei Mo mich mit der Loren verwechselt“ und das Historiendrama „Hans Huckebein“. Rate mal, für was ich mich entschieden habe. – Richtig. Als Vogel hat man schließlich eine natürliche Bindung an den Stoff. Denk dir, nur einmal hatte ich eine Szene locker angebrummt, da meinte der Chef gleich, ich müsste unbedingt die Hauptrolle spielen, das wäre ja phantastisch, wie gemacht für mich, als ob die Rolle nur auf mich gewartet hätte.
 
Ich finde auch, dass das Spielen total viel Spaß macht. Ich übe jetzt immer vor dem Spiegel, Gesten, Mimik und so. Text ist ja nicht so viel. Ich komm gut voran, nur leider ist man in meiner Familie so gar nicht kunstverständig. Die Cora rennt dauernd weg zu ihren Lasagne-Türmen, die Mama sagt immer nur: „Schön, mein Junge, schön“, und der Rest hat auch immer gerade sehr Dringendes zu tun. Fast könnte man denken, sie gingen mir aus dem Weg.

Ich brauche aber jemanden, der was von Kunst versteht und der mir ehrlich sagt, was er denkt. Max, kannst du mir nicht helfen? Ich habe mit dem Fernauslöser ein paar Fotos geschossen. Sie zeigen mich bei der Probe. Dazu schicke ich dir Bilder mit, die zeigen, wie Hans Huckebein seine Rolle im Original gespielt hat. Wenn du beides vergleichst – bin ich schon nah dran, oder muss ich noch mehr üben? Ich bin gespannt auf deine Antworten.

Tschüs
dein Freund Coco

Tja, soll man auf so einen verzweifelten Hilferuf die Ohren verstopfen? Natürlich nicht. Ich habe mir die Serie sehr genau angeschaut und zu jedem meinen Senf dazugegeben. Es war alles andere als einfach, weil der Coco ja ausdrücklich um Expertenrat gebeten hatte. Da wollte ich nichts schluren lassen. Drei von den Bilderpaaren zeige ich euch jetzt, damit ihr euch selbst einen Eindruck machen könnt. Die Kommentare sind dieselben, die ich dem Coco geschrieben habe.

Quelle: Busch/Zeno.org


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
"Balancieren: ganz gut. Du musst aber noch ein Stück hoch mit den Haxen; der Hans Huckebein steht auf den Zehenspitzen. Rücken gerade, nicht flach wie ‘ne Knackwurst, sondern steil wie ‘ne Kerze. In deinem Blick vermisse ich Hingabe. Kopf zur Seite und Auge starr in die Tiefe – so und nicht anders zeigt man gieriges Wissbedürfnis. Habt ihr denn kein Glas? Du kannst ja zur Not ‘nen Blumentopf nehmen zum Reinglotzen. Mit den richtigen Requisiten fällt das Proben nämlich viel leichter."
 
 
Quelle: Busch/Zeno.org

 
"Hier wieder das gleiche Problem: Halt dich gerade. Okay, man sieht deinen Mut bei der Konfrontation mit dem gefährlichen Riesenteddy, aber trotzdem sollst du auf einem Gefäß stehen und dich voller charismatischer Würde runterbeugen. So verlangt es das Drehbuch. Es hat keinen Zweck, wenn du die Szene falsch einübst. Dein Regisseur wird dir das nicht durchgehen lassen. Der Teddy sollte vor Schreck zurückweichen, bei dir aber liegt er hingefläzt wie bei Verdauungsruhe. Das ist so auch nicht ganz richtig."


Quelle: Busch/Zeno.org













"Ja, Mensch! Da bin ich aber froh. Es geht doch, klasse, Coco! Wie du den Gesichtsausdruck hinkriegst – allererste Sahne. Du solltest sowieso lieber Charakterrollen spielen mit mehr Anforderung an die Muskeln weiter oben. Nicht so viel mit Gliederverrenken, das sieht bei dir so bäuerlich aus. Aber bei der Mimik bist du wirklich absolut mit Talent begabt. Herzlichen Glückwunsch. Tust du mir eine Eintrittskarte schicken?"

Ich bin wirklich froh, dass der Coco eine Aufgabe gefunden hat, wo er vom Saufen abgelenkt wird. Noch hat er mir aber nicht geschrieben, wann das Stück zur Aufführung kommt. Ich habe in letzter Zeit ohnehin wenig von ihm gehört. Wahrscheinlich ist er so beschlagnahmt von Zeit und Konzentration, dass er an nichts anderes mehr denken kann. Dann warte ich eben. Das Schauspielhaus in Ruhrpott-County macht ja sicher erst im Sommer Saisonpause. Bis dahin ist‘s ja noch ein bisschen hin.

© Max: Papageiengeschichten
© Fotos: G. H.

Dienstag, 1. Februar 2011

Das Rechtschreibe-Internat

Ich bin sehr enttäuscht. Ihr kennt mich schon lange, trotzdem gibt es mehr als einen ungläubigen Thomas unter euch. Sie machen Behauptung, dass ich gar nicht wegen korrektem Deutsch im Internat war, sondern Haft in einer Besserungsanstalt abgesessen hätte. Das ist infam! Das ist Lüge! Nur meine gute Erziehung gibt mir Hinderung, hier Namen zu nennen. Ich sag nur eins: Der Verbreiter fängt mit demselben Buchstaben an wie „Gurke“, hört mit „r“ auf und hat dazwischen so was wie eine Maßeinheit für Gold.

Die Cora hat mich gefragt, ob meine Mama Bestechung bezahlt hätte, damit sie mich zu den andern ins Klassenzimmer ließen, der Rory hat sich nach dem Zustand der Schlafräume und der Küche erkundigt, nachdem ich weg war, und der Coco, diese Schnapsqualle, hat gemeint, ich wäre ja nur  auf ‘ne alberne Käferschule gegangen. Unglaublich … Käferschule. Das sagt einer, der sich Kirschlikör aufs Brötchen plörrt und dann behauptet, es wäre Johannesbeergelee.

Für alle Zweifler, hier ist der Beweis, mein Abgangszeugnis:
 
Das Internat lag mitten im Wald wegen guter Frischluft und Ablenkungsverhinderung. Aber nicht dass jetzt einer kommt von wegen „Baumschule“ und so. Zugelassen waren nur Schüler, die Fähigkeit mitbrachten, einen Bleistift zu halten. Da fielen schon mal die Fische raus und auch die Elefanten, die Delphine, die Wale und die Schnecken. Die Akademie muss deswegen mit dem Vorwurf zurechtkommen, sie täten fiese Artendiskriminierung betreiben, aber ich finde das nicht, weil trotzdem jede Menge doofer Frettchen, Silbermöwen und Langusten dort waren. Außerdem gibt es immer einen gewissen Prozentsatz von Ausnahmen. Das nennt man Quote.  In meinem Fall … nein … als ich dort war – soooo muss es heißen -, handelte es sich um eine Schildkröte. Sie durfte ausnahmsweise auf dem Laptop schreiben. Langsam war sie trotzdem. Wir haben sie morgens auf den Rücken gedreht und mit dem Panzer über die Fliesen geschoben, sonst hätte sie schon um Mitternacht losgehen müssen, um am Morgen pünktlich zu sein. Ich habe ihr immer meine Tomaten und Karotten geschenkt. Sie fand das lecker, aber mir macht das ja Pickel am Schnabel. Auf Wanderung brauchte sie nicht mitzukommen, und beim Frühsport ist sie jeden Morgen ganz allein im Hof zweimal um den Pflanzbottich gelatscht. Dafür war sie gut im Gedichtaufsagen. Die „Glocke“ von Friedhelm Schiller hat sie so toll mit Mimik und Patros und Gefuchtele aufgeführt, dass man denken tat, man wäre im Theater. 

Die Bleistiftprüfung
Wir hatten auch täglich Schauspielkurs. Bei der Abschlussaufführung war ich eine Sonnenblume von Peter Pan. Ich hatte ein Drahtgestell mit gelben Waschlappen ums Gesicht und  brauchte nur dazustehen und ein bisschen zu schaukeln wegen wippen im Wind. Das Unterteil, also den Stängel, hat man sich sparen können, weil ich ja sowieso grün bin. Unsere Frau Direktorin fand das sehr praktisch.

Jeden Tag hatten wir Unterricht: in Grammatik, in Rechtschreibung, in Komma und Punkt, in Diktat, in Aufsatz, in Lesen und in Fremdwörtern. Dazu durfte sich jeder noch was aussuchen für freiwillig. Es mussten mindestens zwei Kurse sein, aber weniger als zehn. Wie gesagt, mein Herz tat für Schauspiel schlagen. Das liegt mir mehr, als meine Alpträume in Wachs zu kneten oder mit einem Hämmerchen aufs Xylophon zu kloppen. Als zweiten Kurs hatte ich "Tischabräumen" gewählt, doch da hat die Lehrerin gesagt, das täte nicht gelten, weil das ohnehin Pflicht wäre für alle, genauso wie Bettenmachen und den Hof harken. Den Kurs „Autoquartett“ gab’s aber nicht, da habe ich „Excel-Tabelle“ genommen. Ich weiß jetzt, wie man aus lauter „m“s einen prima Tannenbaum tippt. Unser Lehrer hat die Augen aufgerissen vor Begeisterung.

Vormittags war Schule, dann gab’s Mittagessen, dann war Verdauungspause, dann Schularbeiten, dann freiwilliger Kurs, Abendessen, Freizeit bis neun und schließlich Licht aus. Wir waren sechs auf der Stube: ich, ein Ferkel, ein Kater, ein Goldhamster, eine Thomson-Gazelle (Gastschüler aus Namibia) und ein Mops. Der hat dauernd geschnarcht. Erst habe ich ihn unter die Kommode gequetscht, aber als das nichts helfen tat, hat er die Nächte aufm Klo verbracht. Es ist nie rausgekommen, wer ihn eingesperrt hat, obwohl ich mich an der Aufklärung beteiligt hatte. Ich kann es nämlich nicht leiden, wenn jemandem Mobberei gemacht wird, nur weil er unsäglich nervt.

Sonntags war erst Kirche mit Singen und Ansprache. Nach dem Mittagessen kriegten wir Wurstbrote in den Rucksack und mussten Wanderung absolvieren. Uns wurden Berge von Riesensteinen gezeigt, eine kaputte Burg, ein kleines Wehr und jede Menge Ameisenhaufen und Kräuterbüschel.

Die Mia war auch nicht mit auf den Singmärschen. Sie brauchte das nicht, weil sie zu den Premium-Schülern gehörte. Das war ihre Bedingung gewesen, sonst wäre sie gar nicht erst mitgekommen, und dann hätte auch ich nicht ins Internat gehen können, weil die Mama ja vorschreibt, dass wir nur zu zweit verreisen. Die Mia wohnte im Mädchentrakt. Nur zum Essen haben wir uns gesehen und bei der Freizeit im Fernsehraum. Die restliche Zeit hat sie sich mit ihrem Weiberkram beschäftigt: mit Anleitung zum Kastanienshampoo zusammenrühren, mit Glitzerketten auffädeln, Häkelschals murksen, ein bisschen Kunst, ein bisschen Musik. Das war dann Collage kleben aus Deo-Werbung und mitbrummen zu James Blunt.

In der Bibliothek
Einmal habe ich durchs Fenster geguckt. Da lag die Mia im Klappsessel, aufm Gesicht lauter Wattebäuschchen und von den Beinen baumelten weiße Lappen. Beim Abendbrot tat sie müffeln wie ‘n Drogeriegroßmarkt. Die Federn waren derart dolle imprägniert mit Weichspüler oder was, dass die Mia nicht merken tat, wie ihr mein Kumpel Odin, der Steinadler, die Bratensoße in den Schwanz massierte. Zum Schluss kamen noch zwei Scheiben Bratkartoffeln drauf. Das sah fast so schön aus wie ‘n Brautschleier. Das Nachsitzen in der Krankenzelle haben wir uns brüderlich geteilt. Der Odin hat Schwalbenwitze erzählt und ich habe vorgemacht, wie Amazonenhennen den Hintern über die Stange schubbern, sobald das Juckpulver seine Aufgabe erfüllt. Vögel sind halt immer noch die besten Freunde. Fellträgern und Schwartenkerlen fehlen einfach Humor und Verständnis für die wirklich wichtigen Dinge im Leben.

Im Internat hat die Mia ihre Liebe zum Geocaching entdeckt. Eine rothaarige Dackeltante hat sie angestiftet. Ich hätte ja nie geglaubt, dass ausgerechnet die Mia mit ihrem Schickimicki-Getue freiwilliges Kriechen im Gebüsch machen täte, aber sie war voller Begeisterung und hat sogar der Mama geschrieben, sie soll ihr den alten Jogginganzug schicken, damit ihr teures „Harald & Manfred-Shirt nichts abbekäme. Die Mia hat doch glatt in Maulwurfshügeln herumgebuddelt. Am nächsten Vormittag war dann wieder Maniküre im Schminkkurs dran. Ich glaube, der Odin war ein bisschen in die Mia verliebt. Doch als sie ihn einmal „kleiner Puschelgeier“ genannt hat, ist er ganz schnell wieder in Normalität zurückgeklinkt. Beim Wettspucken mit Blaubeerkompott hat er mich ganz knapp geschlagen.

Nach acht Wochen war der Sommerkurs vorbei. Schade eigentlich, weil mir die Diktate gut gefallen taten. Es war mal was anderes als das viele intellektuell, was ich von daheim gewohnt bin. Nur dass wir „Nils Holgersson“ lesen mussten, fand ich doof. Gänse, die sich für Menschentransport hergeben, sind nicht repräsentativ. Da kommen Dagobert Duck und Gustav Gans weit eher hin. Es ist erschreckend, wie wenig die Welt über Vögel weiß.

Also was ist nun? Glaubt ihr mir jetzt meine Fortbildung? Im Übrigen würde mich interessiren, was ihr so für eure Bildung tut. In der Yucca-Palme hocken mit der Cola-Pulle in der Kralle fällt nicht darunter. Ich höre. Der gute Onkel Max nimmt täglich von 0.00 bis 24.00 Uhr eure Beichte ab. Ihr braucht euch nicht mal anzumelden.

© Max: Papageiengeschichten